Nuklearmedizinische Untersuchungen in der Schwangerschaft und während der Stillzeit: Was müssen Frauen beachten?
Die Schwangerschaft (Gravidität) ist für werdende Eltern eine aufregende Zeit, in der sich jeder Ruhe wünscht. Schwere Erkrankungen stellen in dieser Phase sowohl für die betroffenen Familien als auch für die Ärzte eine besonders anspruchsvolle Herausforderung dar. Statistisch gesehen, treten Tumorerkrankungen bei Schwangeren glücklicherweise eher selten auf. Untersuchungen zeigen, dass in etwa einer von 1.000 bis 1.500 Schwangerschaften ein solcher Fall vorkommt [1].
Welchen Einfluss hat die Schwangerschaft auf Untersuchungs- und Therapiemöglichkeiten? In der Radiologie gehört die Gravidität zu den besonders schwerwiegenden Kontraindikationen. Gilt dies auch für die Nuklearmedizin? Welche Alternativen bietet die Medizin, um das Leben werdender Mütter bei schweren Erkrankungen zu schützen? Diese und weitere Fragestellungen beantwortet der vorliegende Artikel.
Die Rolle der Nuklearmedizin in der Krebsdiagnostik und Behandlung
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Nuklearmedizin bietet diagnostische Methoden für schwere Erkrankungen.
- PET oder Szintigraphien sind Teil der Krebsuntersuchungen.
- Radiopharmaka werden auch therapeutisch eingesetzt.
Die Nuklearmedizin übernimmt in der Krebsdiagnostik und -behandlung eine entscheidende Rolle, unter anderem bei der Darstellung von Stoffwechselvorgängen. Diese können durch nuklearmedizinische Verfahren sichtbar gemacht werden, während Röntgen oder Sonographie (Ultraschall) dies nicht abbilden können. Dabei setzen die nuklearmedizinischen Verfahren auf besondere Eigenschaften radioaktiver Stoffe (Radiopharmaka), die sich gezielt an bestimmte Rezeptoren binden.
Diagnostik
In der Diagnostik kommt häufig die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), oft in Kombination mit der Computertomographie als PET-CT, zum Einsatz. Dabei wird den Patienten ein schwach radioaktives Radiopharmakon verabreicht, das sich bevorzugt im Tumorgewebe anreichert.
Ein bekanntes Beispiel ist die mit Fluor markierte Glukose (FDG), die bei der Diagnose verschiedener Krebserkrankungen – unter anderem Lungenkrebs, Brustkrebs und Darmkrebs – eingesetzt wird.
Die PET-CT erlaubt es, den Tumor zu lokalisieren und dessen metabolische Aktivität zu bestimmen. Eine Eigenschaft, die für die Erstellung der Erstdiagnose, die Stadieneinteilung sowie die Planung von Therapien und die Beurteilung des Therapieerfolgs genutzt wird.
Ein weiteres Verfahren ist die Szintigraphie, die zur Diagnose von beispielsweise Knochenmetastasen bei verschiedenen Tumoren oder Entzündungen und Schilddrüsenfehlfunktion eingesetzt wird. Es handelt sich hierbei um ein funktionsdiagnostisches Verfahren.
Therapie
Als Teil der Therapie kommt die Nuklearmedizin zum Beispiel in Form der Radiojodtherapie zum Einsatz. Hierbei wird gezielt radioaktives Jod eingesetzt, um krankhaftes Schilddrüsengewebe zu zerstören. Ein innovatives Verfahren ist die Peptid-Radio-Rezeptor-Therapie (PRRT), die zur Behandlung von neuroendokrinen Tumoren eingesetzt wird.
Bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen bietet die Nuklearmedizin heute vielfältige Möglichkeiten für Diagnostik und Therapie. Besonderes Augenmerk gilt dabei aber auch dem Schutz des Fötus bei schwangeren Patientinnen.
Schwangerschaft als Kontraindikation
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- Der Schutz des Fötus und der Schwangeren genießen besondere Aufmerksamkeit.
- Schwangerschaft ist beispielsweise bei der Radiojodtherapie eine Kontraindikation.
- Es sind strenge Protokolle einzuhalten und eine Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen.
Das Vorliegen einer Schwangerschaft bringt im Zusammenhang mit nuklearmedizinischen Methoden besondere Schutzvorschriften mit sich. Grundsätzlich sieht der Strahlenschutz für Schwangere und Stillende ein besonderes Aufmerksamkeitsgebot vor, um Fehlentwicklungen/Fehlbildungen beim ungeborenen Kind zu vermeiden. Zusätzlich soll vermieden werden, dass das Lebenszeitrisiko für Leukämien und andere Tumorerkrankungen durch die Strahlung erhöht wird.
Was bedeutet dies konkret? Bei der Untersuchung verschiedener Verdachtsdiagnosen wird im Rahmen der Patientenaufklärung auch nach einer festgestellten oder vermuteten Schwangerschaft gefragt. Sollte eine Gravidität vorliegen, gilt dies bei verschiedenen Untersuchungen als absolute Kontraindikation. Heißt: Die Untersuchung oder Behandlung darf in dieser Situation nicht durchgeführt werden. Entsprechende Vorgaben lassen sich den jeweiligen Leitlinien entnehmen, die beispielsweise durch die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin herausgegeben werden. Aber welche Untersuchungen/Behandlungen sind konkret davon betroffen?
Fall 1: Radiojodtherapie
Die Anwendung der Radiojodtherapie als nuklearmedizinisches Verfahren ist während der Schwangerschaft absolut kontraindiziert. Die entsprechende Leitlinie gibt vor, dass auch nach Abschluss der Behandlung noch ein mindestens viermonatiger Zeitraum bis zur Konzeption (Empfängnis) eingehalten werden sollte [2]. Für Stillende sieht die Leitlinie die Einhaltung eines Drei-Monats-Zeitraums hinsichtlich des Abstillens vor. Dieser zeitliche Abstand soll gewährleisten, dass es zu keiner überdurchschnittlichen Strahlenbelastung der Brustdrüsen kommt.
Fall 2: Schilddrüsenszintigraphie
Die Schilddrüsenszintigraphie ist ein nuklearmedizinisches Verfahren zur funktionellen Untersuchung der Schilddrüse. Sie wird zur Abklärung von Funktionsstörungen, bei Knotenbildungen und entzündlichen Veränderungen eingesetzt. Verwendet werden Technetium-99m (Tc-99m) oder Jod-123. Das Vorliegen einer Schwangerschaft ist für die Untersuchung eine Kontraindikation. Stillende müssen laut Leitlinie eine Stillpause von zwölf Stunden (gilt für die Verwendung von Tc-99m) einhalten [3].
Fall 3: Skelettszintigraphie
Die Skelettszintigraphie wird in der Nuklearmedizin unter anderem zur Darstellung entzündlicher, tumoröser oder degenerativer Veränderungen des Skelettsystems eingesetzt. Die Untersuchung spricht auf Stoffwechselveränderungen an und hat einen hohen diagnostischen Wert. Für eine vorliegende Schwangerschaft gibt es keine absolute Kontraindikation. Allerdings ruft die Leitlinie zur Skelettszintigraphie den Arzt dazu auf, Nutzen und Risiko der Untersuchung streng abzuwägen. Wenn möglich, ist die Verlegung der Skelettszintigraphie auf einen Termin nach der Geburt ins Auge zu fassen. Hinsichtlich der Stillphase ist eine Pause von 48 Stunden einzuhalten [4].
Neben der Skelettszintigraphie gibt es noch weitere Untersuchungen, die bei einer vorliegenden Schwangerschaft durchgeführt werden können, etwa im Zusammenhang mit der nuklearmedizinischen Wächter-Lymphknoten-Diagnostik [5]. In jedem Fall gelten Protokolle, um eine Schädigung der Schwangeren und des Fötus zu verhindern.
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Der Umgang mit einer Schwangerschaft in der Nuklearmedizin
Wichtige Fakten auf einen Blick:
- individuelle Entscheidung zur leitliniengerechten Durchführung von Maßnahmen
- abwartende Haltung bis zur Entbindung unter Umständen empfehlenswert
- Einsatz alternativer Untersuchungs- und Therapiekonzepte
Angesichts der unterschiedlichen Positionen, welche die Leitlinien zum Thema Schwangerschaft für die verschiedenen nuklearmedizinischen Untersuchungen einnehmen, ist immer eine individuelle Abwägung erforderlich. Für einige Verfahren gilt die Schwangerschaft als absolute Kontraindikation, andere können hingegen bei einem positiven Risiko-Nutzen-Verhältnis durchgeführt werden.
In der Radiologie wird diesbezüglich stets anhand des vorliegenden Einzelfalls entschieden. Gegebenenfalls wird vor den geplanten Maßnahmen ein Schwangerschaftstest bei Frauen im gebärfähigen Alter durchgeführt. Sollte eine Schwangerschaft vorliegen, ergeben sich daraus unter anderem diese Handlungsempfehlungen:
- Die Untersuchung/Therapie darf leitliniengerecht nach Abwägung von Risiko-Nutzen-Verhältnis durchgeführt werden.
- Die Durchführung muss mit ausreichend zeitlichem Abstand zur Entbindung unter Beachtung der Vorschriften zur Stillpause erfolgen.
- Je nach Möglichkeit st die Anwendung alternativer Untersuchungs- oder Behandlungsoptionen zu erwägen.
Besonders der letztgenannte Aspekt ist aus medizinischer Sicht durchaus herausfordernd, da eine alternative Untersuchungsmethode eine ähnlich hohe Aussagekraft bzw. Genauigkeit der Diagnose erreichen sollte. Mögliche Alternativen in der radiologischen Praxis können die Sonographie und Magnetresonanztomographie (MRT) sein. Unter Abwägung der Rahmenbedingungen kann auch ein CT-Scan in Betracht kommen – allerdings nur dann, wenn Ultraschall und MRT versagen und die Diagnosestellung nicht aufgeschoben werden kann.
Die Therapiemaßnahmen müssen individuell auf die Patientin abgestimmt werden. Eine abwartende Haltung ist leider nicht immer möglich, insbesondere wenn die Erkrankung droht, aggressiv fortzuschreiten. Dabei wird stets berücksichtigt, in welchem Stadium sich die Schwangerschaft befindet. Neben operativen Maßnahmen können verschiedene Medikamentenwirkstoffe eingesetzt werden. Hinsichtlich der Abwägung, wie gerade bei einer Krebsdiagnose in der Schwangerschaft zu verfahren ist, sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.
Dabei geht es auch um die Fragestellung, inwiefern ein Schwangerschaftsabbruch in die Bewertung einzubeziehen ist. Dieser Schritt kann bei einer Diagnose innerhalb des ersten Trimesters empfohlen werden, da der Embryo in dieser Phase besonders vulnerabel ist und bei einer medikamentösen Tumortherapie das Risiko von Fehlbildungen, Fehlgeburten oder intrauterinem Absterben besteht.
Im zweiten und dritten Trimester sieht die Prognose günstiger aus. Auch in dieser Phase ist ein individuell abgestimmter Therapieansatz entscheidend – beispielsweise durch den Ersatz der Wirkstoffe durch weniger toxische Therapeutika.
Fazit: Schwangerschaft ist bei nuklearmedizinischen Untersuchungen eine Herausforderung
Schwangere genießen im Alltag einen besonderen Schutz, der sich auch auf die medizinische Diagnostik auswirkt. In dieser Lebensphase stellt die Schwangerschaft für verschiedene Untersuchungsmethoden in der Nuklearmedizin eine Kontraindikation dar, weshalb nach geeigneten Alternativen gesucht werden muss. Zudem erfordert die Behandlung eine besondere Herangehensweise, da einige Verfahren das Risiko von Schädigungen des Fötus erheblich erhöhen können. Ein individuell abgestimmter Ansatz ist entscheidend, um den bestmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen und die Gesundheit von Mutter und Kind zu schützen.
[1] Albright CM, Wenstrom KD. Malignancies in pregnancy. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2016 May;33:2-18. doi: 10.1016/j.bpobgyn.2015.10.004. Epub 2015 Oct 19. PMID: 26542928.
[2] Dietlein M, Grünwald F, Schmidt M, Kreissl MC, Luster M; Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e. V. (DGAV); Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie (CAEK) der DGAV; Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e. V. (DGCH); Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE). DGN-Handlungsempfehlung (S1-Leitlinie): Radiojodtherapie bei benignen Schilddrüsenerkrankungen (Stand 6/2022 – AWMF-Registernummer: 031-003) [Guideline for Radioiodine Therapy for Benign Thyroid Diseases (6/2022 – AWMF No. 031-003)]. Nuklearmedizin. 2024 Feb;63(1):8-20. German. doi: 10.1055/a-2185-7885. Epub 2023 Oct 23. PMID: 37871629.
[3] Dietlein, M., Hohberg, M., Lassmann, M., Verburg, F. A., Luster, M., & Schmidt, M. (2022). Schilddrüsenszintigraphie mit Tc-99m Pertechnetat und I-123 Natriumiodid (S1-Leitlinie). Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (DGN). AWMF-Registernummer: 031-011.
[4] Bares, R., Brenner, W., Burchert, W., Dittmann, H., Kuwert, T., & Sahlmann, C.-O. (2022). Skelettszintigraphie (S1-Leitlinie). Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (DGN). AWMF-Registernummer: 031-022.
[5] Schmidt, M., Hohberg, M., Felcht, M., Kühn, T., Eichbaum, M., Krause, B. J., Zöphel, B. K., & Kotzerke, J. (2022). Nuklearmedizinische Wächter-Lymphknoten-Diagnostik (S1-Leitlinie, Version 3). Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. (DGN). AWMF-Registernummer: 031-033.